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Schule Leben Lernen

11. Dezember 2009

Dringender Sanierungsbedarf an Schulen und die Diskussionen über die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems zeigen die Zwangslage, in der sich die Schulpolitik heute befindet.

Wie notwendig ein Handeln im Bereich des Schulwesens ist, verdeutlichen aktuell die Konjunkturpakete der Bundesregierung. Dabei sind die Investitionen von mehreren Millionen Euro in Bildungsbauten nicht nur ein Impuls für die Bauwirtschaft, sondern müssen zugleich eine Reform des Schulwesens bewirken – die Lernräume der Zukunft müssen pädagogisch und architektonisch neu gefasst werden.

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Auf dem hierzu stattfindenden BDA-Symposium in Leipzig, betonte die Pädagogin Daniela Rätzel, dass eine gute architektonische Gestalt von Schulen entscheidend für deren Akzeptanz sei. Zu oft würden Lehrer und Schüler den Lernraum nur „hinnehmen, statt einnehmen.“ Es sei wichtig, „den Raum als Lernmedium und Lernmittel zu erkennen“.

Welche Raumgestalt besonders die Wissensvermittlung und das Lernen fördert, untersucht der Architekt Frank Hausmann mit dem Forschungsprojekt „Das offene Klassenzimmer“. Ein wesentlicher Ansatz für ein qualitätsorientiertes Raumprogramm sind flexibel zuschaltbare Lernräume für gemeinsames sowie separates Arbeiten – in diesen „Lernlandschaften“ können die Potenziale der Schüler individuell gefördert werden. „Künftig verbringen Schüler deutlich mehr Zeit in Schulen“, unterstrich Hausmann. Schulen müssen deshalb nicht nur als reine Lernorte konzipiert, sondern als Orte des Lebens gestaltet werden, die die Persönlichkeit der Schüler stärken. Neue Schulkonzepte sollten daher besonders die Eigenverantwortlichkeit von Schülern stärken.

Verantwortung nicht nur für das eigene Lernen zu übernehmen, sondern auch für die Lernumgebung, ist deshalb für Susanne Hofmann von den Baupiloten der richtige Weg für eine Identifikation der Schüler mit ihrer Schule. Die Schulausbauprojekte, die sie gemeinsam mit Architekturstudenten der TU Berlin durchführt, nutzen das kreative Potenzial der Schüler für den Entwurfsprozess und „nehmen sie als Bauherren damit ernst.“ Eine solche Nutzerbeteiligung ist für sie „ein urbanes Werkzeug und im kleinen Maßstab auch ein städtebauliches Instrument“.

Denn gerade in benachteiligten Quartieren müssen Schulen als Begegnungszentren auch eine Integrationsfunktion übernehmen. Als „Baustein für die Stadtentwicklung“ kommt den Bildungsbauten eine wichtige Aufgabe zu, wie Martin zur Nedden als Bürgermeister der Stadt Leipzig betont. Durch Infrastrukturausbau und dem Vernetzen der Schulen mit ihrem Stadtteil entstehen positiv besetzte Standorte, die eine Vorstellung des Begriffs Bildungslandschaften entstehen lassen. Umgekehrt kann eine Schule in schlechtem baulichem Zustand auch zum Grund für einen Wegzug aus einem Stadtquartier werden. „Bildung ist ein Standortfaktor“, bestätigte Eduard Heußen vom Forschungsinstitut empirica. Mit zwei Projekten für die Berliner Wohnungsbaugesellschaft degewo in problematischen Bezirken arbeitet sein Institut daran, Quartiere durch verbesserte Bildungseinrichtungen zu stabilisieren. Für Heußen geben Schulentwicklungsprojekte „pädagogische Antworten auf Themen wie Zuwanderung und sozialen Wandel“ in den Bezirken. Das Vernetzen von Bildungsakteuren, die Öffnung von Schulen für soziale Aktivitäten des Quartiers und die gemeinsame Arbeit mit Eltern etabliert Schulen zu einem interaktiven Lernort, der das Stadtquartier und das bürgerschaftliche Engagement der Bewohner aktiviert.

Dass auch anstehenden Sanierungsmaßnahmen eine Chance bieten, um neben der energetischen Modernisierung neuen pädagogischen Ansprüchen räumlich gerecht zu werden, zeigte Christian Roth von Zanderroth Architekten mit dem Umbau einer Typenschule: Eine Plattenbauschule wurde mit Fantasie und Kreativität zu einer attraktiven Schule mit einem multifunktionalen Raumprogramm und überglasten Höfen umgebaut.

Wie umfassend der Anspruch an Gestaltung und Architektur des Lebens- und Lernraums Schule auf allen Maßstabsebenen ist, haben die Referenten verdeutlicht. Die Forderung von Frank Hausmann „die Typologie Schule neu zu entwickeln und als Aufgabe ernst zu nehmen“, muss künftig als interdisziplinäre Aufgabe entwickelt werden. In der Diskussion um eine bessere Bildungswelt ist der Lernarchitektur ein größerer Stellenwert beizumessen.