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Freier Wettbewerb – Mehr Qualität!

13. Oktober 2010

Falk Jaeger hat in seinem Gastkommentar in der wettbewerbe aktuell, Ausgabe 07/2010, die nachlassende Architekturqualität bei (deutschen) Wettbewerben beklagt. Er stellt seinem Kommentar die Frage voran „Wie gewinnt man Wettbewerbe?“ und liefert Rezepte: mehr Emotionen und weniger „deutsche Tugenden“ – also „Gebäude, die Geborgenheit vermitteln statt kühle Eleganz und tiefgefrorene Perfektion.“

Aber wer sind heute die Teilnehmer von Architekturwettbewerben? Es gibt zu wenige offene Wettbewerbe. Die überwiegende Mehrzahl der Verfahren in Deutschland sind „Beschränkte Wettbewerbe mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren“ für circa 10 bis 30 Teilnehmer. Viele hoch qualifizierte Architekturbüros scheitern jedoch im Bewerbungsverfahren zur Zulassung für die Teilnahme an Wettbewerben und VOF-Verfahren, da die Bewerbungskriterien für die überwiegende Zahl deutscher und europäischer Büros unerfüllbar sind.
Die Qualifizierungskriterien sind zu eng gefasst, indem u.a. vielfache Referenzen der gleichen Bauaufgabe innerhalb eines engen Zeitfensters, ein hoher Jahresumsatz und Wettbewerbserfolge der letzten Jahre abgefragt werden – Kriterien, denen nur wenige, vornehmlich große Büros gerecht werden können. Hier stellt sich nebenbei die Frage, ob diese Verfahren noch mit dem Recht auf freie Berufsausübung vereinbar sind, wenn der großen Mehrheit der Büros somit der Zugang zu Auswahlverfahren verwehrt wird.
Im Vordergrund muss aber die architektonische Qualität der Referenzen stehen, unabhängig vom Umfang der realisierten Bauaufgaben und der Größe des Büros.

Die bestehenden Sonderregelungen für so genannte „junge“ oder „kleine“ Büros (max. vier Mitarbeiter, inkl. Partner), die bei einigen Verfahren als Minderheit zu Wettbewerbsverfahren zugelassen werden, müssen ausgebaut und vor allem gesetzlich abgesichert werden.
In vielen Bundesländern gilt der Architekt als „jung“ im Wettbewerbssinne, wenn das Diplom maximal sieben Jahre zurück liegt. Wer sich nach dem Eintrag in die Kammer konsequent für den Königsweg entscheidet, hat also fünf Jahre Zeit, Wettbewerbe zu gewinnen, daraus Aufträge zu generieren und zu bauen. (Vorausgesetzt man nimmt die Hürde der Zulassungskriterien, die auch für „junge Büros“ häufig hoch ist.) Und was kommt danach?

Die aktuelle Praxis der Teilnehmerauswahl hat dazu geführt, dass sich viele Büros, die nachweislich durch Bauten und Architekturpreise für anspruchsvolle Architektur stehen, nicht an Wettbewerben beteiligen können. Sei es, weil sie zu alt für die Kategorie „junges Büros“ oder zu groß für ein „kleines Büro“ sind, aber dennoch nicht zur Kategorie der „Etablierten“ gehören. Wie und wo werden die „mittelalten“ und „mittelgroßen“ Büros berücksichtigt, die den Nachweis der Qualität ihrer Arbeiten erbracht haben, auch wenn (noch) nicht zu jeder Bauaufgabe eine bzw., wie oft gefordert, mehrere Referenzen vorliegen?
Viele der „Jungen“ und „Kleinen“, der „Mittelalten“ und „Mittelgroßen“ Büros würden bei regelmäßiger Teilnahme an Wettbewerben die Diskussion um die von Falk Jaeger mit Recht angesprochenen Architekturwerte bereichern.

Der Hinweis vieler Auslober auf geltendes EU-Recht und somit Zwang zur bestehenden Auswahlpraxis geht ins Leere. Zu beklagen ist die Gründlichkeit, mit der in Deutschland, sei es aus Vorsicht oder Unerfahrenheit, bei Auswahlverfahren zur Teilnahme an Wettbewerben vermeintliche formale Kriterien über qualitative gestellt werden.
Doch es ist keine Statistik bekannt, dass der Ausschluss der Mehrzahl der Architekturbüros – und darunter viele, die den Ruf nach mehr Architekturqualität einlösen könnten – zu mehr Kosten- und/oder Termintreue, einem faireren Wettbewerb oder zur Einlösung anderer Gründe geführt hat, die einmal Anlass gewesen sind, diese Bewerbungsritualien einzuführen.

Und es gibt noch mehr zu kritisieren: Viele Wettbewerbe sind nach Maßgabe der EU eingebunden in ein VOF-Verfahren. Nach Feststehen des Wettbewerbsergebnisses muss der Gewinner nun vor Auftragvergabe abermals seine Eignung und Qualifizierung in einem Verhandlungsverfahren nachweisen. Nach Diplom, Kammerzulassung, erfolgreicher Zulassung zum Wettbewerb und schließlich Wettbewerbsgewinn somit bereits der fünfte Nachweis der Qualifizierung. Es ist also keineswegs gesichert, dass das Votum der Jury für den 1. Preis durch den Auslober berücksichtigt und entsprechend umgesetzt wird.
Die Architektenschaft sollte sich dem entziehen. Der Wettbewerbsausschuss der Architektenkammer Baden-Württemberg hat ein Musteranschreiben entwickelt, das die platzierten Teilnehmer eines Wettbewerbs aus Gründen der Kollegialität gegenüber dem Wettbewerbsgewinner bittet, auf ihr Recht für ein nachgelagertes Verhandlungsverfahren zu verzichten. Diese Vorgehensweise sichert einen fairen und transparenten Umgang mit den Architekturbüros, erspart den Büros weitere Kosten und verdeutlicht zudem die hohe Wertschätzung der Juryentscheidung.

Zur Steigerung der von Falk Jaeger zu Recht bemängelten nachlassenden Architekturqualität bei Wettbewerben fordern wir, der AKJAA im BDA:

– die Durchführung offener Wettbewerbe
– wenn Bewerbungsverfahren zur Einschränkung der Teilnehmerzahlen notwendig sein müssen, soll eine Fachjury über die Eignung der sich bewerbenden Büros allein auf Grundlage der Qualität der eingereichten Referenzen entscheiden
– eine rechtliche Absicherung der Sonderregelungen für „Kleine“ und „Junge“ Büros
– die Besetzung der Fachjurys sowohl für das Auswahl- als auch für das eigentliche Wettbewerbsverfahren nach Qualitäts- und Unabhängigkeitskriterien
– die Betreuung der Wettbewerbe und Vorprüfung der Arbeiten durch qualifizierte Büros
– Eintreten der Berufsverbände – allen voran der Kammern – auf politischer Ebene für die Chancengleichheit  ihrer Mitglieder in Auswahlverfahren
– Kollegialität – Verzicht zugunsten des Wettbewerbsgewinners auf ein nachgelagertes Verhandlungsverfahren
– Wettbewerbe müssen ihr Auftragsversprechen einlösen – zu viele Wettbewerbsergebnisse bleiben ungebaut