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Karljosef Schattner ist tot

16. April 2012

Nachdem er den Zweiten Weltkrieg trotz einer schweren Verwundung überlebt hatte, wollte Karljosef Schattner Architektur studieren, um am Aufbau einer neuen Gesellschaft mitzuwirken.

Doch wegen schlechter Schulnoten wäre er an der Münchner Technischen Hochschule beinahe abgelehnt worden. Den Zugang ermöglichte ihm schließlich sein späterer Lehrmeister Hans Döllgast, der die Begabung des jungen Mannes erkannt hatte und ihm etwas Entscheidendes beibrachte, wie Schattner einmal erzählte: ‚Von Hans Döllgast habe ich gelernt, dass man als Architekt vor allem Eigensinn braucht.‘

Dieser Glücksfall verband sich mit zwei weiteren. 1924 bei Magdeburg geboren, wurde Schattner 1957 zum Diözesanbaumeister für das Bistum Eichstätt berufen. Kurz darauf kam es in Eichstätt zur Gründung einer Pädagogischen Hochschule, die seit 1980 als Katholische Universität firmiert. Genau 35 Jahre lang konnte Schattner dort als oberster Baubeamter der Kirche wirken. Seine Hauptaufgabe war, zahlreiche baufällige Denkmäler für die Zwecke der Hochschule umzubauen. So wurde neues Bauen in alter Umgebung zu seinem Lebensthema.

Am Ort nicht selten wegen seiner modernen Umbauten und Erweiterungen angefeindet, genoss Schattner schließlich einen internationalen Ruf. Ob in London, Helsinki oder Prag – in ganz Europa wurden seine Bauten als Vorbilder für das Weiterbauen an der historischen Stadt geschätzt. Die Neue Zürcher Zeitung bezeichnete ihn sogar einmal als ‚Held der späten achtziger Jahre‘.

Entgegen der damaligen Mode, Altes wie neu und Neues wie alt aussehen zu lassen, arbeitete Schattner bei seiner Sanierung historischer Gebäude nämlich mit gestalterischen Gegensätzen. Um das authentische Alte durch authentische Zeitgenossenschaft zu steigern, verwendete er Stahl statt Stein, Beton und Glas statt Mauerwerk, Lochbleche statt Holz. Und seinen Verächtern hielt er vor: ‚Die Gegenwart leugnen hieße die Geschichte leugnen.‘

Schattner hat in Eichstätt über zwei Dutzend Projekte ausgeführt, darunter Kirchen und Kapellen, Institutsgebäude und Bibliotheken. Dadurch hat er der Kleinstadt nicht nur seinen Stempel aufgedrückt, sondern sie weltberühmt gemacht. Was den ‚Schattner-Charme‘ ausmacht, zeigt besonders sein letztes Bauwerk für Eichstätt, das Diözesanarchiv aus dem Jahr 1992. Im Sinne der vom Architekten gepflegten ‚Nahtstelle‘ hält der neue Baukörper durch ein Glashaus respektvollen Abstand zum historischen Gebäude. Schattner war aber kein ‚Ichling‘, sondern hat auch dafür gesorgt, dass gute Architektur nach Eichstätt kam, etwa durch Bauten von Günter Behnisch, Eberhard Schunck und Werner Wirsing.

Schattner war ein moderner Architekt aus abendländischem Geist mit einem hohen Verantwortungsbewusstsein. So hat er denn auch sein Bauamt als ‚Bauhütte‘ verstanden. Aus ihr sind zahlreiche begabte Mitarbeiter hervorgegangen, die nun schon seit Jahren im ganzen bayerischen Raum weiterführen, was sie beim Diözesanbaumeister gelernt haben. Schattner ist mit mehreren hohen Preisen ausgezeichnet und vielfach geehrt worden, zuletzt mit einer Ausstellung zum 85. Geburtstag in der Münchner Galerie der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst.

Am Dienstagabend ist Karljosef Schattner nach langer und schwerer Krankheit im 87. Lebensjahr gestorben. Mit ihm ist nicht nur ein großer deutscher, sondern ein großer europäischer Architekt von uns gegangen. WOLFGANG JEAN STOCK