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Zum Tod von Peter C. von Seidlein

1. Oktober 2014

Wir trauern um unser Ehrenmitglied Peter C. von Seidlein, der am 30. September 2014 verstorben ist.

Anlässlich seines Todes zitieren wir seinen langjährigen Weggefährten Johann Christoph Ottow, der 2005 schrieb: „pcvs – wie inhaltsreich ist dieses Kryptogramm! Doch muss man Insider oder zumindest Leser dieser Zeitschrift (BDA-Informationen) sein, um ermessen zu können, was es für die Architektur der Gegenwart bedeutet. Derjenige, der sich hinter diesem Kürzel verbirgt, will nicht berühmt sein, er willt nur gut sein – und ist damit zur Ikone geworden. Bei so vielen, die ihm begegnet sind, die ihn gehört, die seine Bauten gesehen haben, bei seinen Schülern und Mitarbeitern, bei Kollegen und Konkurrenten.

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Peter Canisius von Seidlein

Es ist ihm stets um das Prinzip gegangen, nicht um den persönlichen Erfolg. Das A und 0 seines Werkes als Architekt ist technische Perfektion pur, ohne irgendeine Zutat. Sie ist die Quelle von allem Wahren, Guten und Schönen in dieser Architektur. Allein aus dieser Quelle kommt die Qualität des Klassischen, die keine Stilkunde und keine Vorbilder braucht. An dieser Qualität ist v. Seidlein als Urheber auszumachen, obwohl technische Perfektion als Entwurfsprinzip gegen die Ausbildung der persönlichen Handschrift gerichtet ist, in der sich ein Architekt erkennbar machen kann.

Um das Prinzip ist es ihm auch in der Lehre grgangen. Die Einführung in das Entwerfen mit dem Konstruieren und den Grundfächern der Gebäudetechnologie zu einem Ganzen zu verschmelzen, nahm ihn nach seiner Berufung an die Universität Stuttgart 1974 so in Anspruch, dass daneben für eigenes Schaffen wenig Raum blieb. Erst fünf Jahre danach kam es zur nächsten großen Bauausführung, dem Druckereigebäude des Süddeutschen Verlages in München-Steinhausen (gemeinsam mit Klaus Winkler und Edwin Effinger), das mit etlichen bedeutenden Preisen ausgezeichnet worden ist. Erst da begann die fruchtbarste Schaffensperiode, also in einem Alter, in dem andere schon mal an den Ruhestand denken.

Nicht die Zahl der ausgeführten Bauten, nicht die geschaffene Kubatur ist das, was bei ihm zählt, sondern die unbeirrt durchgehaltene Linie, der maximale Qualitätsanspruch, den er an sich selbst gestellt hat, und das dabei Erreichte. Fast alle Bauten aus dieser späteren Zeit sind mit Architekturpreisen bedacht worden.

Das Gesamtwerk, diese überzeugende Einheit von Lehre und gebauten Beispielen, hat Schule gemacht. Weithin bekannte Namen sind aus seinem Büro hervorgegangen, Thomas Herzog, Helmut Jahn, Uwe Kiessler, um nur einige zu nennen. Auch die Saat seiner Lehrtätigkeit ist sichtlich aufgegangen. Etliche Hochschullehrer und zahlreiche Freischaffende, die sich in Wettbewerben positioniert haben, sind seine Schüler gewesen und setzen seine Linie fort.

So bedeutend die Wirkungen sind, die v. Seidlein erzielt hat, so wenig bekannt ist das in der breiten Öffentlichkeit. Er drängt sich nicht vor, er wirkt aus dem Hintergrund, dies allerdings unermüdlich, intensiv und auf verschiedenen Schauplätzen, in Verbänden und Kommissionen, in Beratungs- und Entscheidungsgremien, stellungbeziehend, einflußnehmend, als Redner, als Schreibender, als Schaffender.

Große Worte scheut er, Gemeinplätze verachtet er. Bei solchen Tönen verschließt sich seine Miene und er versinkt in dauerhaftem Schweigen. Fühlt er sich aber aufgerufen, dann entfaltet er eine treffsichere, überzeugende und unwiderstehliche Beredsamkeit. Oder auch eine sarkastische und angriffslustige, wenn ihm eine Autorität angemaßt, ein Kompromiss faul erscheint. Seine Unabhängigkeit, seine Furchtlosigkeit gebieten Respekt. Bequem ist er nicht, für niemanden. Seine Architekturpreise, seine Mitgliedschaften belegen das hohe Ansehen, das ihm zugewachsen ist. Seit 1971 sitzt er für den BDA, konstant wiedergewählt, in der Vertreterversammlung der ByAK. Er ist Mitglied der Berliner Kunstakademie, Ehrendoktor der TU München – und noch einiges mehr. Der BDA, die Kammer, der Berufsstand haben ihm viel, unmessbar viel zu verdanken.

Er gehört zu den Gründervätern der BDA-Informationen und es sind nicht zuletzt seine Beiträge, die eine anspruchsvolle Leserschaft, auch von außerhalb des BDA angezogen haben. Vielseitigkeit der Begabung: Architekt, Lehrer, Journalist. Wie informativ, wie amüsant, wie zielsicher diese Feder, wenn sie Bemerkenswertes aus der weiten Welt der Architektur mitteilt, so spitz und scharf ist sie auch, wenn sie Missstände im engeren Berufsfeld aufspießt. Es gab Leser, die die neue Nummer zuerst nach dem Kürzel pcvs durchblättern.

Noch eine andere Seite des Vielseitigen: seine traumhaft schönen Luftaufnahmen. Er war Ballonfahrer aus Leidenschaft. Wo pcvs ist, da ist oben! Mögen günstige Winde ihn weiterhin begleiten.“

Wir verabschieden uns von einem großen Architekten.

Karlheinz Beer für den BDA Bayern