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GERD ALBERS – DER DOYEN DES STÄDTEBAUS GESTORBEN

6. Februar 2015

Der ehemalige Präsident der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Er lehrte an der Technischen Hochschule München und war zeitweilig dort auch Rektor. Als Mitglied und Präsident vieler nationaler und internationaler Akademien, wie auch als Präsident der ‚International Society of City and Regional Planers‘, war er hoch geehrt.

In der Freien und Hansestadt Hamburg hat sein Leben begonnen. Es fing an mit dem Flair dieser eindrucksvollen Stadt, die sicher dazu beigetragen hat, ihn auf die Schiene der Stadtplanung zu setzen. Schon früh haben Gerd Albers Gestaltungsfragen interessiert. Demzufolge war einer seiner ersten Berufswünsche der Bühnenbildner. Angeregt wurde er durch Gustav Gründgens oder Caspar Neher im Hamburger Schauspielhaus. Danach kam deutlicher die Architektur ins Blickfeld, bereits mit einem Seitenblick auf die Stadt, die Stadt in ihrer Gesamtheit. An der TH In Hannover studierte er dann Architektur; bis ihn eine zufällige Einladung nach Amerika brachte. In Chicago ergab sich für ihn mit dem Master of Science and City Planning, die Möglichkeit, den Städtebau in einer akademischen Disziplin zu erfassen. Eine sehr eindrucksvolle Riege von Lehrern wie Mies van der Rohe, Hilbersheimer und Peterhans, alles alte „Bauhäusler“, begleiteten seine Studien. Dazu kamen interessante Erfahrungen in den zum Studium gehörigen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Wieder zurück nach Hannover, Diplom- Ingenieur, dann Promotion in Aachen über den „Wandel der Wertmaßstäbe im Städtebau“. 1952 ging es nach Ulm zum damaligen Stadtbaudirektor Max Guther, der später Professor in Darmstadt wurde. 1954 ging sein Weg weiter nach Trier, und fünf Jahre später nach Darmstadt, von wo aus er schließlich nach München in die Lehre berufen wurde.

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Gerd Albers 1919 – 2015

Die meisten Städte sind bereits vorhanden, sagte Albers einmal, nur sind sie nicht statisch und unverändert vorhanden, sondern verändern sich. Die  Planung versucht bei den bestehenden Städten die Veränderungen verträglich zu gestalten, Reibungen möglichst zu vermeiden und Interessenkollisionen zwischen dem Naturschutz, dem Verkehr und der Wohnqualität abzufangen. Planung war für ihn ein „Management of Change“, also eine Steuerung der Veränderung. Planer seien sozusagen diejenigen, die gegen die privaten Interessen und gegen politische Kurzsichtigkeit das langfristige Denken sichern müssten. Dieses habe sich aber angesichts der Abhängigkeit von Politik,  und angesichts vieler Veränderungen, die unmittelbar die Bewohner und die Bevölkerung betrafen, sehr stark verändert: immer mehr Wissenschaft im Städtebau und mehr Demokratie.

In einem seiner zahllosen Bücher stellte er einmal die Frage: „Wer oder was macht den Zeitgeist, der Meinungsumschwünge in städtebaulichen Fragen zustande kommen lässt?“ Für ihn war immer eindeutig, dass sich die Stadt nicht fixieren lässt, sie  sich immer wandelt, und der Planer nur sinnvolle Wege oder Korridore in einer begrenzten Wegbreite für die Zukunft offen halten kann. Soziologen sollten dabei mitsprechen, aber auch Begriffe wie Umwelt, Ökologie oder die allgemein beliebte Nachhaltigkeit sah Albers zunehmend in einer immer wichtiger werdenden Rolle. Er sah sich einer Gesellschaft gegenüber, die bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Umwelt als unbegrenzt nutzbar ansah, und die Stadt sich darin ungehemmt ausdehnen könne. Erst mit den kritischen Stimmen wie dem Meadows Report „Limits to Growth“ konnte auch er verstärkt mit dem Thema „Verstädterung und Stadtplanung. Chancen und Grenzen der Steuerung“ einen neuen Weg beschreiten,

Gerd Albers  glaubte nicht mehr, dass die integrierenden Sicht auf Gesellschaft und Stadt als etwas gemeinsam formbares noch zeitgemäß sei. Stattdessen ist er sich darüber klar geworden, dass die Großstadt aus der Fülle ihrer Angebote lebt und kulturell bedingt eine Fülle von verschiedenen Bedürfnisstrukturen gibt. Jede Stadt und insbesondere „die europäischen Stadt“:  habe ein eigenes Flair, einen eigenen Geruch, eine eigene Stimmung. Zeitlebens waren für ihn Städte für die Menschen da, und er sah die Stadtplanung primär als eine ungemein humane Aufgabe. Gerne zitierte er Ernst Bloch, dass Architektur ein Stück Heimat vermitteln soll, aber dass dies für die Stadtplanung in einem noch viel höheren Maße zutreffe, denn es ginge immer um das Gefüge und nicht um das einzelne Gebäude. Zu einem seiner Lebensmottos zählte ein Bonmot von Patrick Abercromby. ein Mann braucht nämlich drei Eigenschaften: Er muss alt genug sein, um seine größten Fehler schon in früheren Positionen gemacht zu haben; er muss wissen, dass das Wasser bergab läuft und er muss zuhören können. Im Zuhören-Können sah er als Stadtplaner eine seiner wichtigsten Aufgaben.

Nun wird Gerd Albers nicht mehr zuhören können, er ist verstummt und wird sich fortan in Schweigen hüllen, er, der Sprachgewaltige, der seine Zuhörer immer in Bann halten konnte.

Erwien Wachter