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Engagement für die Baukultur und die Zukunft unseres Berufes

15. Oktober 2015

Im Gespräch mit Karlheinz Beer, Georg Brechensbauer, Andreas Emminger, Lydia Haack, Jörg Heiler und Walter Landherr

Der Erhalt und die Förderung der Baukultur sind wichtige, übergeordnete Ziele des BDA Bayern. Wo liegen die größten Herausforderungen?

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W. Landherr, A. Emminger, L. Haack, K. Beer, G. Brechensbauer v.l., Foto: Leonie Baumeister, Lena Böhm

Jörg Heiler
Wir erleben derzeit starke Veränderungen und Umbrüche. Beispielhafte Stichworte sind Energiewende, Migration und Digitalisierung. Eine wirkliche Planungs- und Baukultur bezieht dies bewusst in die Gestaltungsprozesse von Städten, Landschaften und Stadtlandschaften ein. Das ist definitiv noch nicht immer und nicht überall der Fall.

Ich glaube, dass Kultur noch viel zu oft mit Hochkultur gleichgesetzt wird. Wenn man sie aber als Alltagskultur begreift, dann ist Kultur das Ergebnis aller Dinge, die wir machen. Also auch, wie Architektur entwickelt und wie Raum entworfen wird – das ist alles Baukultur. Und nicht zu vergessen sind auch die ganzen Teilhaber der Architektur, die gesellschaftlichen Akteure, die den Raum dann später gebrauchen oder ihn auch umgestalten. Dieses Denken, „bei neun von zehn Bauten haben wir Zweckbauten und beim zehnten Bau, da leisten wir uns noch ein Stück Baukultur“, das funktioniert dann nicht mehr. Dafür muss viel mehr Sensibilität geschaffen werden!

Ist die aktuelle Praxis der Auftragsvergabe für die Baukultur förderlich? Es gibt viele junge und kleinere Architekturbüros, welche die aktuellen Vergabeverfahren sehr kritisch sehen.

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J. Heiler, Foto: Leonie Baumeister, Lena Böhm

Walter Landherr
Das ist wahr. Die Vergabeverfahren haben sich leider dahingehend entwickelt, dass gerade die kleinen Bürostrukturen und die jungen Büros vom Zugang zum Markt weitgehend ausgeschlossen werden. Wir haben hier in Deutschland aber eine Kultur der kleinen Büros: 95 Prozent der Büros haben weniger als 10 Mitarbeiter! Wenn wir die bei öffentlichen Aufträgen nicht mehr am Markt beteiligen, kommt es zu einer starken Konzentration der großen Büros. Das Rückgrat für die Baukultur und auch für unsere Wertschöpfungskette sind aber nun mal die mittleren Bürogrößen. Diese müssen viel mehr gefördert und unterstützt werden.

Georg Brechensbauer
Der Berufsstand hat ja nach wie vor etliche Sicherungssysteme im gesellschaftlichen Sinne: Wir haben noch eine Honorarordnung mit Beschränkung der Honorare nach oben und transparenten Leistungen im Sinne von Verbraucherschutz, ein Vergaberecht mit objektiven Bewertungskriterien, wenn sie richtig angewendet werden, und als freier Berufsstand können wir als Treuhänder für unsere Bauherrn agieren. Diese Dinge gilt es nicht nur im eigenen Interesse zu bewahren und deswegen arbeiten wir in den entsprechenden Gremien mit und bringen dort unsere Argumente ein.

Karlheinz Beer
Dieses  Engagement kann aber nur erfolgreich sein, wenn wir auch die vielen angestellten Architektinnen und Architekten im öffentlichen Dienst und jene, die als Bauherrenvertreter bei großen Firmen auftreten, dafür gewinnen können. Zudem brauchen wir auch eine enge Zusammenarbeit mit anderen Verbänden und nicht verbandsgebundenen Architektinnen und Architekten. Denn diese Themen, die ja wirklich Relevanz für unsere tägliche Arbeit haben, sind Themen, die den ganzen Berufsstand bewegen.

Welche Rolle spielen in diesem Kontext die angestellten Architektinnen und Architekten?

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W. Landherr, G. Brechensbauer, K. Beer, L. Haack, A. Emminger v.l., Foto: Leonie Baumeister, Lena Böhm

Andreas Emminger
Angestellte Architektinnen und Architekten sind das Rückgrat der Baukultur – ein Großteil der von unserem Berufsstand erbrachten Leistungen entsteht ja im Team.

Gerade auch den angestellten Architekten, die häufig als Vertreter öffentlicher und institutioneller Bauherren agieren, kommt eine zunehmend große Verantwortung zu. Wir haben bislang viele Steuerungsaufgaben an juristisch ausgebildete Bauherrenvertreter abgegeben und da ist viel zu wenig Sachkenntnis für die Komplexität der Bau- und Planungsprozesse vorhanden.

Für die Bewältigung komplexer Bau- und Planungsprozesse braucht man aber auch engagierten Nachwuchs. Frau Haack, welche Herausforderungen kommen da auf den Berufsstand zu?

Lydia Haack
Eine fundierte Ausbildung ist wichtiger denn je. Nur durch ein ausgewogenes Studium und ausreichend Praxiserfahrung werden Architektinnen und Architekten befähigt, ihren Beruf auf dem erforderlichen hohen Niveau auszuüben und den gesellschaftliche Herausforderungen und Veränderungen begegnen zu können.

Die Position des berufsständischen Nachwuchses und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Architektinnen und Architekten darf nicht durch die Senkung von Ausbildungsstandards geschwächt werden.?Einen deutschen Sonderweg mit verkürzter Ausbildung, wie er derzeit diskutiert wird, halte ich daher nicht für zielführend.

Das Interview in der Geschäftsstelle des BDA Bayern am 1. September 2015 führten Nicolette Baumeister und Judith Hartmann.