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Diskussionen zum Pellerhaus

8. März 2016

Pressemitteilung
8. März 2016

„Pellerhof-Fassade soll rekonstruiert werden“
Nürnberger Zeitung (André Fischer), 2. März 2016

„So geht es mit dem Pellerhaus in Nürnberg weiter“
Nürnberger Nachrichten (Hartmut Voigt), 16.2.2016

Die beiden Überschriften in NZ und NN suggerieren, die Rekonstruktion der Pellerhof-Fassade ist beschlossene Sache. Wo bleibt hier der seriöse Journalismus? Grundlage beider Artikel ist doch lediglich eine hinausposaunte Aussage des Vorsitzenden der „Altstadtfreunde“, der damit die Zerstörung eines wichtigen Denkmales in der Altstadt fordert!

Dass die Diskussion sachlich geführt werden kann, wurde bereits vor Jahren bewiesen:
Schon 2006 hat der Bund Deutscher Architekten BDA in der Dritten Architekturwoche Bayern A3 unter dem Titel „Geld Macht Schön“ das Pellerhaus zum zentralen Ort der mittelfränkischen Veranstaltungen gemacht und die Zeit des Wiederaufbaus in Nürnberg thematisiert. Schon damals haben wir in Vorträgen und Beiträgen alle Seiten der mit Nachdruck geführten Diskussion zur Rekonstruktion von Teilen der Pellerhof-Fassaden zu Wort kommen lassen und uns selbst eingemischt.

Dabei haben wir unsere Meinung klar und deutlich geäußert:
Nein zur Rekonstruktion von Teilen der Pellerhof-Fassade, Ja zu ganzheitlichen Überlegungen einer alle Teile des Denkmales Pellerhaus erhaltenden und fortschreibenden Nachnutzung dieses für die Zeit des Wiederaufbaus so wichtigen Hauses.
An der heutigen Stelle muss man wieder alle Seiten betrachten. So ist die Leistung der Altstadtfreunde und der vielen Spenderinnen und Spender in der Bemühung um die Teilrekonstruktion der Pellerhof-Fassaden rein handwerklich betrachtet beachtlich. Doch diese Bemühungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Stadt seit Martin Peller weiterentwickelt hat, der gesellschaftliche und bauliche Kontext hat sich tiefgreifend verändert und das ist gut so.
Das Pellerhaus in seiner heutigen Form ist ein herausragendes Denkmal des Wiederaufbaus, ein beredtes Zeugnis für die unglaublichen Leistungen der nicht so lange zurückliegenden, sehr schwierigen und doch hoffnungsfrohen Nachkriegszeit. Es ist darüber hinaus ein Stück Baukultur, das auf eindrückliche Art und Weise die Schnittlinien der Zeitenwenden freilegt, prägende geschichtliche Ereignisse zur Schau stellt, Ruinenteile wie selbstverständlich in das Gesamtwerk integriert und nun auf erstaunlich gelassene Weise mit der potemkinschen Steintapete des Innenhofes zurechtkommt. Das Pellerhaus krönt maßvoll und zurückhaltend den Egidienberg, schaut elegant auf diesen schon immer im Kontext der Altstadt besonderen, anderen Ort.

Als Prof. Laurent Beaudouin, Architekt und Hochschullehrer aus dem französischen Nancy und Spezialist der klassischen Moderne, vor nunmehr zehn Jahren für einen Werkvortrag am Ohm zu Gast war, hat er nachts um eine kurze Tour durch die Nürnberger Altstadt gebeten. Als wir die Innere Laufer Gasse entlangfuhren, fiel sein Blick auf den Egidienplatz und er rief laut aus, wir sollten anhalten. Minutenlang blieb er am Fuß des Egidienberges stehen und betrachtete staunend das Pellerhaus, bezeichnete es als eines der wunderbarsten Beispiele deutscher Nachkriegsarchitektur, das er je gesehen habe.
Auch wenn wir mit unseren Studierenden das schöne Bauwerk besuchen, wird immer wieder deutlich, dass die Kraft der Architektur von Fritz und Walter Mayer auch heute noch junge Menschen beeindruckt!

Und so geht es vielen, Fachleuten und Laien allen Alters, weshalb man Brigitte Jupitz und Susanne Klug von der BauLust nur zustimmen kann, wenn sie die vom Vorsitzenden der Altstadtfreunde so selbstverständlich geäußerte Behauptung, dass die Nürnbergerinnen und Nürnberger den denkmalgeschützten Bau nicht mehr verstehen und die Jüngeren mit ihm nichts mehr anzufangen wissen, mit Nachdruck und zu Recht in Zweifel ziehen.
Das ist eine alte, durchsichtige Taktik: Man redet etwas so lange ohne Gegenrede schlecht, bis schließlich mangels Widerspruch scheinbare Wahrheiten geschaffen werden. Es ist ein beliebtes Spiel selbsternannter „Bewahrer“ in unserer heutigen Gesellschaft, auf der Kommunikationsflutwelle zu surfen und im Schatten wichtiger Ereignisse Individualinteressen ohne nennenswerten Widerstand durchzusetzen.

Jetzt geht also die Beschäftigung aus, denn die Steine des Pellerhofes sind aufgerichtet. Im Zuge der nun aufflammenden, mangels Fundament leichtfertig konstruiert wirkenden Diskussion werden jedoch gleich auch noch Baustellen ganz anderer Art offengelegt. Die Gründe für die Ablehnung der charmanten Idee des Jugendamtes, Kindern und Jugendlichen das Gebäude ihrer eigenen ehemaligen Stadtbibliothek zu widmen, sind nur noch peinlich. Um es mit dem Zitat des Vorsitzenden der Altstadtfreunde und pensionierten Lehrers Enderle aus dem Artikel der NZ in Worte zu fassen: „Kulturelle Nutzung und Jugendhaus schließen sich aus.“ Kinder und Kultur gehen in den Köpfen von Rekonstrukteuren anscheinend nicht zusammen, das Vertrauen in unseren Nachwuchs ist nicht sonderlich groß, für die Belebung des Egidienplatzes soll mal wieder die Bezahl-Kultur herhalten, oder doch ein Hotel, wie zwischenzeitlich auch propagiert?

Die fachliche Seite der zitierten Äußerungen ist von fassungslos stimmender Ignoranz und großer Unwissenheit geprägt. Ob nun die Architektur gnadenlos falsch referenziert und ausgerechnet das Hauptwerk der Architekten Fritz und Walter Mayer bedenkenlos in die Nähe faschistischer Architektur verschoben oder einfach die Behauptung aufgestellt wird, man könne eine Renaissance-Fassade mal eben vor ein Haus der Fünfziger kleben, die fachliche Unbeflecktheit dieser Äußerungen ist bezeichnend für die Herkunft solcher Gedanken.

Doch auch diesmal stellen wir uns wieder der Diskussion und diesmal werden wir es nicht hinnehmen, dass der Grad an Erträglichkeit im Umgang mit diesem uns und für unsere Stadt so wichtigen Haus endgültig überschritten wird. Wollen wir mal sehen, ob sich die Diskutanten aus der leidlichen Deckung von Online-Foren heraustrauen.

Nürnberg, den 8.3.2016

Prof. Andreas Emminger, Architekt BDA, Nürnberg/ Regensburg
Prof. Michael Stößlein, Architekt BDA, Nürnberg
Prof. Ingrid Burgstaller, Architektin BDA, Nürnberg/ München
Dipl.- Ing. Annemarie Bosch, Architektin BDA, Erlangen,
1. Vorsitzende Kreisverband Nürnberg, Mittelfranken / Oberfranken