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Tagungsbericht: A House of One´s Own

9. Mai 2017

Volker Derlath
Volker Derlath

A House of One’s Own. Architektur und Emigration 1920-1950
Eine Veranstaltung des Instituts für Kunstgeschichte der LMU München in Kooperation mit dem Bund Deutscher Architekten BDA Landesverband Bayern (5./6. Mai 2017)

Die internationale Tagung wird begleitet von einer Ausstellung, die im Masterseminar „A House of One’s Own. Architektur und Emigration 1920 –1950“ von Studierenden des Instituts für Kunstgeschichte der LMU München erarbeitet wurde. Ausstellungsdauer 5. bis 31. Mai 2017, Mo. – Fr. 14 –17 Uhr, geschlossen am 8., 12. und 25. Mai.

Unter dem Titel A House of One’s Own. Architektur und Emigration 1920-1950 fand am 5. und 6. Mai 2017 eine internationale Tagung in den Räumen des BDA Bayern in München statt, die sich in der Emigration gebauten Architektenhäusern widmete. Die dreizehn Beiträge der Referenten und Referentinnen setzten sich anhand einer globalen Auswahl an Fallbeispielen mit den vielfältigen Positionen der Architekturentwicklung des 20. Jahrhunderts und den jeweiligen Baustrategien der Architekten in ihrem Ankunftsland auseinander. Neben den geladenen Referenten gaben auch Masterstudierende der LMU in einem Vortrag und einer begleitenden Posterausstellung Einblick in ihre Forschung.

Einleitend verwiesen die Organisatoren Burcu Dogramaci (LMU München) und Andreas Schätzke (Hochschule Wismar) auf die aktuelle Relevanz der gewählten historischen Konstellation, die sich besonders vor dem Hintergrund der derzeitigen interkontinentalen Flucht- und Migrationsbewegungen entfalte. Im Unterschied zu den aktuellen Migrationsbewegungen führten die Flucht- und Emigrationsrouten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus Europa heraus. Im Falle des Architekten Harry Seidler nach Australien, wo er in Wahroonga bei Sydney gleich drei Häuser für seine Familie plante, darunter das Haus für seine Mutter Rose Seidler, das von Ingrid Böck (TU Graz) vorgestellt wurde. Bernita Le Gerrette (Karlsruher Institut für Technologie) bot einen interessanten Einblick in ihr Promotionsthema und den Architekten Max Cetto, der sich in der vulkanischen, archaischen Landschaft des baulich neu erschlossenen Pedregal südlich von Mexico City ein Wohnhaus schuf, das für zahlreiche internationale Gäste offenstand. Ernst May errichtete in den 1930er Jahren sein Wohnhaus im Stil des Neuen Bauens bei Nairobi. Kerstin Pinther (LMU München) stellte dem Haus May das Wohnhaus von Alan Vaughan-Richards in Lagos gegenüber und betonte den Unterschied der kulturellen Transferleistung beider Architekten. Während May in spätkolonialer Manier verharre, integriere Vaughan-Richards lokale Raumkonzepte, die örtliche, kulturelle und soziale Praxen aufnahmen. Wiederholt wurde von den Teilnehmern der Tagung diskutiert, ob und wie sich die Architekten mit der im Ankunftsland vorgefundenen Bautradition auseinandersetzten. Die Verwendung von Materialien aus der Region, Anleihen an lokale Konstruktionsweisen oder an ein lokales Formenrepertoire erzeugten vieldeutige und hybride Strukturen, die sich allgemeinen Zuordnungen entziehen – im Kontext der persönlichen Wohn- und Migrationsgeschichte jedoch lesbar werden können. So beschreibt Burcu Dogramaci das Haus des Architekten Bruno Taut in Istanbul in Hanglage am Bosporus als Arche und Metapher für einen künstlerischen Paradigmenwechsel nach seiner Emigration aus Deutschland und Japan.

Über einen Paradigmenwechsel sprach auch Joachim Driller (Hochschule Coburg), und zeichnete einen Wandel in der Rezeption des Wohnhauses von Gropius in Lincoln nach – vom Anspruch des radikal Neuen zu Beginn seiner Karriere in den USA und mit Sigfried Giedion hin zum Topos des Regionalismus. Das wichtige Thema der Sichtbarkeit stand im Mitttelpunkt des Beitrages von Andreas Schätzke. Er widmete sich frühen Bemühungen, das eigene Haus als beispielhaft zu publizieren, etwa wie Erich Mendelsohn in dem dreisprachigen Bildband Neues Haus, Neue Welt (1932). Darüber hinaus verfolgte er ähnliche Vorhaben in der internationalen Fachpresse und regte eine Diskussion über den Zusammenhang von Netzwerken, Publikationsmöglichkeiten und Karrieren sowie der Kanonisierung von überlieferten Architekturfotografien an. Dem Architektenhaus in der Emigration stellte das transdisziplinäre Kunst- und Feldforschungsprojekt von Stefanie Bürkle (TU Berlin) das eigenhändig gebaute Haus in der Remigration zur Seite. Das Projekt Migration von Räumen, Architektur und Identität im Kontext Remigration untersucht Wohnhäuser, die von deutsch-türkischen Familien nach dem Rückzug in die Türkei errichtet wurden und über ihre architektonische Spezifik in ihrem Umfeld sofort zu erkennen sind. Als Migrating Spaces waren die Ergebnisse des Projektes in Form von Video- und Fotomaterialien 2016 in zwei Ausstellungen im Haus der Kulturen der Welt in Berlin und im Kunstraum SALT in Istanbul zu sehen.

Insgesamt konnte das dichte Programm der Tagung unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema Emigration und Architektur intensiv in den Blick nehmen und zu weiteren Forschungsfragen anregen.

Von Maria Schindhelm und Mareike Hetschold

 

Volker Derlath
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Einführung der Tagung durch Prof. Dr. Burcu Dogramaci, Institut für Kunstgeschichte der LMU München

 

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Organisatoren der Tagung: Prof. Dr. Burcu Dogramaci (Institut für Kunstgeschichte der LMU München) und Andreas Schätzke (Hochschule Wismar)

 

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Diskussion mit Gästen

 

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Studierende des Instituts für Kunstgeschichte der LMU München präsentieren ihre Arbeiten, die im Masterseminar „A House of One’s Own. Architektur und Emigration (1920–1950)“ erarbeitet wurden

 

Volker Derlath
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Tagungsteilnehmer Piotr Korduba (Adam-Mickiewicz-Universität Polen) über „Oskar Hansen und Polen. Die Konfrontation mit der Realität und der Rückzug in eine unbekannte Heimat“

 

Volker Derlath
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Gegenseitige Danksagung